Geschichte der Beginen
Einleitung
Von Uta-Maria Freckmann
Die Recherche zu diesem Text hat mich emotional mitgenommen und berührt, falls das in Teilen dieses Textes erkennbar ist, bitte ich um Verständnis. Es ist für mich schwer fassbar, dass Frauen, die sich sozial für ihre Mitwelt engagierten und sich ernsthaft bemühten, die damaligen Regeln des Klerus einzuhalten, drangsaliert und verfolgt werden konnten und schließlich beinahe ausgelöscht wurden. Einige von ihnen waren nicht nur Beginen, sondern Mystikerinnen, hervorgegangen aus einer gemeinsam von Frauen gelebten Spiritualität, in Einheit mit ihrem Gott. Teilweise wurden sie in der Neuzeit selig oder heiliggesprochen.
Die Herkunft der Bezeichnung „Begine“ ist nicht exakt nachweisbar, es gibt da nur Vermutungen. Der wahrscheinlichste Erklärungsversuch ist der von der Hlg. Begga (aus Brabant, gest. 695), die als Namensgeberin fungierte.
Die Frauen der damaligen Zeit hatten wenig Wahlmöglichkeiten für ihren Lebensentwurf. Es blieben ihnen eigentlich nur Heirat oder Kloster (dies lediglich für adlige Frauen und später für Bürgerinnen aus reichem Haus) und als dritte Möglichkeit ein Leben als Begine.
Auf dem 4. Laterankonzil (1215 von Papst Innozenz III initiiert) wurden neue Frauenklöster ganz verboten, sodass die Möglichkeit, dem drohenden Ehestand und ständigem Kinderkriegen durch Eintritt in ein Kloster zu entgehen, ebenfalls versagt wurde. So blieben die Beginen-Gemeinschaften die einzige Zufluchtsstätte, um ein etwas freieres Leben zu führen. Sie unterrichteten die Kinder von Adeligen und sorgten für Kranke und Leidende auch während der Seuchenzeit in separaten Häusern (Leprosen). Damit brachten sie die Grundidee für Krankenhäuser und Schulen in die Welt.
Zu dieser Zeit kam die Armutsbewegung als Gegenpol zu dem im Überfluss lebenden Klerus der Amtskirche auf. Manche Beginen folgten dieser von Franz von Assisi ins Leben gerufenen Bewegung (Mendikanten, Bettelorden). Es gab vielfältige Lebensentwürfe innerhalb der Konvente, manche hatten ihren Fokus im Weben von feinem Tuch oder übten andere handwerkliche Fähigkeiten aus. Spiritualität war Bestandteil des Lebens, wie in anderen Teilen der Bevölkerung auch. Je nach Ausrichtung eines Konvents wurde diese an erster Stelle gesetzt und als Hauptanliegen betrachtet.
Die spätere päpstliche Anerkennung der Bettelorden war (nach Bronislaw Geremek) übrigens eher eine Domestizierung der Armutsbewegung. Was kircheneigen war, stellte keine Gefahr mehr dar. Mit dieser Vorgehensweise wurden schon die ersten Mönche, seinerzeit genannt als Wüstenväter und Wüstenmütter, in das damalige Kirchensystem integriert.
Die Verfolgungswellen der Beginen begannen mit einer dringlichen Empfehlung, sich in die Amtskirche einzufügen und nicht öffentlich zu predigen (als Predigen galt auch Bücher zu schreiben und über eigene geistige Erfahrungen zu sprechen, wenn sie nicht exakt den kirchlichen Lehrmeinungen entsprachen), oder die Heilige Schrift auszulegen. Die Beginen wurden zuerst einmal gewarnt, sich zurückzuhalten, unter Androhung von schärferen Maßnahmen. Dies erfolgte in „Verfolgungswellen“, da sie zwischendurch immer wieder Befürworter (Päpste, Adlige, Lehnsherren) hatten, die sie schützten. Späterhin wurden sie verboten, dann enteignet, schließlich verfolgt und einige als Häretikerinnen verbrannt. Wer den Anweisungen der Kirche folgte, trat in ein Kloster ein, entweder um zu überleben, oder weil es zur eigenen Lebensweise und Ausrichtung gut passte.
Die Kirchen reagierten mit einer Vorgehensweise, die gegensätzliche Ansichten in die Kategorie Sekte einstufte, um Andersdenkende zu diffamieren (“abscheuliche Sekten“ - das ist der Wortlaut einer Bulle von Papst 1311 durch Papst Clemens den 5. Erlass einer Bulle „Qum de quibustam“). Durch diese Bulle wurden Begarden und Beginen der Häresie beschuldigt, verboten und schließlich durch die Inquisition verfolgt.
Eine sehr interessante wissenschaftliche Untersuchung (2023 von Tranter) über Häresie zeigt diese Abläufe. Man spricht dabei von einer „Konstruktion von Sektenbildern“, die sehr ausführlich und differenziert aufzeigt, wie vorgegangen wurde, um unliebsame Gruppen auszuschalten. Es wird ebenso beschrieben, dass es seinerzeit viele Umbrüche gab bei den Herrschern (Papst gegen Könige und Lehnsherren), was viele Unsicherheiten im Volk begünstigte und eine angstbeladene Atmosphäre erzeugte. Begarden waren übrigens eine männliche Version der Beginen, die ebenfalls eigene spirituelle Vorstellungen vertraten und Fehlverhalten des Klerus ansprachen:
https://edoc.unibas.ch/96103/1/Tranter_Dissertation_FreigeistigeBegarden_2023.pdf
In diesen Zeiten des gesellschaftlichen Umbruchs lebten viele Beginen, einzeln in ihren Häusern oder in Konventen. Als Frauen hatten sie die schwierige Aufgabe, sich durch die vielen Strömungen unbeschadet hindurchzubewegen. Daher taten sie sich oft in Konventen zusammen, um einander Schutz und Sicherheit zu gewähren, aber auch um sich gegenseitig finanziell zu unterstützen.
Wir möchten an dieser Stelle den vielen Beginen gedenken, die ihr Leben der Gemeinschaft gewidmet haben durch ihre Taten und denen, die sich durch ihre spirituelle Lebensweise bewährten. Es gibt nur wenige Namen von Beginen-Mystikerinnen, die bis heute überliefert sind, diese möchten wir an dieser Stelle vorstellen und ihrem Wirken Raum geben.
Beginen-Galerie
Hadewijch von Antwerpen (Link folgt demnächst)
Da wir noch an dieser Seite arbeiten, folgt die Auflistung und Verlinkung der anderen Beginen aus dem Mittelalter innerhalb der nächsten Wochen.